Ältester Landschaftsgarten im Kanton?
Der nicht eindeutig datierbare Park eines Haldenhauses

Für einen Patriziersitz am südöstlichen Stadtrand von Frauenfeld TG galt es den Schutzwert des Gartens zu bestimmen. Es handelt sich um einem Landschaftsgarten von ca. 300 Metern Länge im Nordhang einer ehemaligen Patrizierliegenschaft. Mehrere im Zickzack geführte Fusswege erschliessen den Hang und münden auf der Hangoberkante in einen Spazierweg, der mehrere Sitz- und Aussichtsplätze queraxial erschloss. Das Herrenhaus am Fusse der Halde formte die einstige Mittelachse der Anlage aus, die sich gegen Süden bis Mitte des 20. Jhs. in einen barocken Ziergarten fortsetzte. Bekannt wurde, dass Gartenarchitekt Gustav Ammann die Anlage Mitte der 1920er-Jahre in neubarocker Weise auffrischte und durch neue Wege und Plätze deutlicher symmetrisch auf das Wohnhaus ausrichtete. Sein Entwurf baute auf einen älteren Garten auf, dessen ältester kartografischer Nachweis auf das Jahr 1881 datiert. Die Erstausgabe der Siegfriedkarte zeigt in einmaliger Weise das geometrische Muster der im Hang verlaufenden Zickzackwege.

Für einen Landschaftspark des ausgehenden 19. Jh. ist die im Terrain vorgefundene Wegführung jedoch ungewöhnlich. Die über Eck und nicht im Bogen geführten Fusswege verweisen vielmehr auf eine Anlage des ausgehenden 18. Jh., was mit der Bauzeit des Wohnhauses 1792 übereinkäme. Zeitgleiche Anlagen höchst ähnlicher Ausprägung lassen sich in Pruntrut JU im Umkreis des Arlesheimer Domkapitel oder in der Altstadt von Bern nachweisen. Es sind die Jahre nach dem siebenjährigen Krieg, in denen der romantische oder anglo-chinesische Landschaftsgarten in der Schweiz Fuss fasste. Die frühesten Gärten jener Jahre folgten in der Anlage ihrer Wege noch formalen Vorbildern wie den genannten Zickzackwegen, nach 1800 trat jedoch die Serpentine an ihre Stelle. Die «ondulierende» Linie entsprach weit mehr dem damaligen Schönheitsideal denn eine über Eck erklommene Steigung.

Es ist deshalb wenig erklärlich, warum man im ausgehenden 19. Jh. eine Bauweise wählte, die seit Generationen keine Entsprechung mehr fand. Als einzige Erklärung bietet sich an, dass der Landschaftsgarten von 1880 auf einer Vorgängeranlage beruht, von der wir heute keine Kenntnis (mehr) haben. Da aber keinerlei Quellen auffindbar waren, die diese Vermutung stützen, handelt es sich letztlich um eine Hypothese, die zu bestätigen eine vertiefte Quellenrecherche verlangte.

Unser Gutachten verzichtete deshalb auf eine abschliessende Schutzwertbeurteilung des Gartens und verwies auf die beiden Möglichkeiten seiner Entstehung. Denn, sollte es sich bewahrheiten, dass die Anlage auf die 1790er-Jahre zurückgeht, dürfte es sich um den mutmasslich ältesten Landschaftsgarten im Kanton handeln. Seine Bedeutung wäre immens, doch für den Eigentümer der Liegenschaft folgenschwer. Umgekehrt wäre der Schutzwert als gering einzustufen, sollte die Anlage erst anfangs der 1880er-Jahre entstanden sein. Unser Gutachten empfahl deshalb, weitere Recherchen in den Familienkisten der aus Luzern stammenden Patrizierfamilie vorzunehmen, wofür wir selbst keinen Auftrag besassen. 

Auftraggeber / Bauherr

Privat / Denkmalpflege der Stadt Frauenfeld

Projektdaten

Dez. 2017: Schutzwertbeurteilung

Zusammenarbeit

WMG Gartenarchitektur GmbH, Kloten ZH