Churfirstenpark Wil SG
Wertvolles Zeugnis der Ostschweizer Gartenmoderne

In den 1930er-Jahren erstellten die SBB in Wil eine Brückenanlage, um eine ebenerdige Gleisquerung gleichen Orts aufheben zu können. Der Zwischenbereich von Bahnlinie, neuer Strassenführung und Churfirstenstrasse schuf eine Dreiecksfläche, die 1935/36 in eine städtische Parkanlage überführt wurde. Eine umlaufende Baumreihe Platanen wurde mittig in eine breite Promenade gepflanzt. Ihre Kronen rahmten einen Rasenplatz, in den Zwischenräumen ihrer Stämme standen Ruhebänke. Heute ist die Hubstrasse die einzige innerstädtische Querverbindung zwischen Alt- und Südstadt und entsprechend frequentiert. Um den Engpass zu beheben und um den Strassenraum verbreitern zu können, bot die SBB Hand, die Brücke zu erneuern. Das Vorhaben tangiert die kleine Parkanlage erheblich, deren gartendenkmalpflegerische Bedeutung im Rahmen der Inventarüberprüfung gerade erst festgestellt werden konnte. 

Unser Gutachten kam zur Erkenntnis, dass die funktional gestaltete Platzanlage mit zentralem Rasenplatz und Baumkranz stellvertretend für die Reformierung des öffentlichen Grüns steht. Sie ist als Beitrag an eine «sozialhygienische» Gartenkunst anzuerkennen, die zur Verbesserung der Grünraumversorgung der Oberstadt beitragen und der Jugend möglichst unbeschränkte und vielseitige Spielgelegenheiten ermöglichen sollte.

Die Reform des öffentlichen Grüns wurde anfangs der dreissiger Jahre in der „Charta von Athen“ verankert. Das städtebauliche Manifest forderte u.a., dass keine ästhetischen Überlegungen mehr den Grünraum bestimmen sollten, sondern ausschliesslich funktionale Anforderungen. Mit ihrer Maxime "Licht, Luft und Raum" legte die Charta eine Strategie vor, welche die Voraussetzung für unsere heutige Grünraumversorgung schuf.

Ihr Manifest zeigte in der Eidgenossenschaft unmittelbare Wirkung. Viele neue Reform orientierte öffentliche Grünflächen in der Schweiz wurden anfangs der 1930er-Jahre realisiert – so auch der Churfirstenpark. In der Ostschweiz ist mit Ausnahme des Platzspitzparks in Kreuzlingen (1932) keine vergleichbare Anlage bekannt. Dem Churfirstenpark fällt neben seiner künstlerischen, städtebaulichen und sozialgeschichtlichen Bedeutung auch Seltenheitswert zu. Sie ist ein wertvolles und bedeutendes Zeugnis des gesellschaftlichen und politischen Lebens in Wil und als solche von überkommunaler Bedeutung.  

Auftraggeber / Bauherr

Stadt Wil, Departement Bau, Umwelt und Verkehr, 9552 Bronschhofen

Projektdaten

2019: Espertise, Schutzempfehlung