Garten Villa Flora in Winterthur
Inkunabel Schweizer Gartenkulturgeschichte

Wenige Objekte sind derart im öffentlichen Gedächtnis verankert wie die Villa Flora in Winterthur. Die besondere Kunstsammlung des Ehepaars Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler französischer und Schweizer Postimpressionisten wie ihr reizender Architekturgarten vermögen unvermindert in ihren Bann zu ziehen. Das vergangene Jahrzehnt war für die Villa Flora und den Nachkommen Hedys und Arthurs sehr ereignisreich. Im Januar 2013 teilte die Staatskanzlei des Kantons Zürich den Erwerb der Villa Flora und ihrer Kunstschätze mit. Im Folgejahr versagte der Stadtrat Winterthur die Subventionierung des privat geführten Museums, so dass dieses schliessen musste und Teile ihrer Kunstsammlung auf Reisen gingen. Und in den Monaten dazwischen lobten der Kanton Zürich und die Stadt Winterthur einen Studienauftrag aus, um die Villa Flora für einen zeitgemässen Museumsbetrieb zu rüsten. Das Siegerprojekt der Architekten Jessen & Vollenweider GmbH und August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten AG sieht einen eingeschossigen, verglasten Pavillon als Kassenbereich vor, der quer an den klassizistischen Trakt der Villa Flora anschliesst. Teile des Gartens sollen hierfür überbaut werden.

Die Bauarbeiten dazu sollen nun beginnen. Die Stiftung lud uns ein, in Erinnerung an den Garten seine Geschichte niederzuschreiben auch in Hinblick auf einen möglichen Kunstführer zum Garten. Die Recherchen brachten zahlreiche Fotos und wenige Pläne zu Tage, die ein neues Licht auf die Entstehung des Gartens warfen. Zu unser aller Überraschung entstand der Garten bereits im Winter 1908/09, zur gleichen Zeit also, in der die Architekten Rittmeyer & Furrer Teile des Hausinterieurs modernisierten. Hierfür wurden die Wege des Landschaftsgartens begradigt und zueinander orthogonal in Beziehung gebracht. Ein quadratischer Laufbrunnen wird in die Achse eines mit Blumen geschmückten Rasenkarrees gelegt, den Rosenfestons und Hecken längsseitig fassten und eine Treillage begrenzte. In diese Achse lässt Hedy Hahnloser im Herbst 1916 die in Paris erworbene Bronzestatue L’Eté aufstellen, für die sie eigens einen Holzlatten gerahmten Nischenplatz anlegen lässt. Im Winter 1918 wird der ehemalige Schneckenberg des Landschaftsgartens nach einem Entwurf von Dr. Robert Rittmeyer in eine oktogonale Form überführt. Beerensträucher, Stauden und Hecken umgeben die Wege des Hügels, auf deren Kuppe die zweite Bronzefigur Pomona aufgestellt wird.

Hedy Hahnloser verband viel mit den Bronzen, die zum Sinnbild ihren innigen Freundschaft mit ihren französischen Künstlern und zum Emblem ihrer Empfindungen wurden: «Ja, ich will es wieder segnend und dankend hinnehmen, dieses Göttergeschenk, nicht nur die Werke zu besitzen, sondern ihre ‘amitiés’ dazu.  Nur so ist dieses generöse Gefühl des Franzosen, der nicht neidet, dass die Maillol anstatt in Paris im Garten von Winterthur stehen, wettzumachen, dass man dieser grossen Liebe, dieser amitié ewig Lob singe.» Unbekannt bliebt bisher auch, dass Hedy Hahnloser in den vierziger Jahren den Garten in Teilen veränderte. Manch Gartenweg wurde schmaler, der Blumenschmuck weniger, die Strenge des architektonischen Gartens gemildert.

Heute lässt sich sagen, dass es sich beim Garten der Villa Flora höchstwahrscheinlich um den zweitältesten, heute noch erhaltenen architektonischen Garten der deutschsprachigen Schweiz handelt – neben dem nur wenige Monate zuvor (im Herbst 1908) vollendeten Garten Tössertobel. Beide Architekturgärten tragen wesentlich zum Paradigmawechsel in der schweizerischen Gartenkunst nach 1900 bei, der offenkundiger denn je von Winterthur ausging und dessen Diskurs 1911 von Richard Bühler, dem geliebten Cousin Hedy Hahnlosers in die Öffentlichkeit getragen wurde. Mit der Aufstellung von Skulpturen im Freien nimmt die Villa Flora (zusammen mit der Villa Tössertobel) zudem Vorreiterrolle für jene Gartenmode ein, die im zweiten Drittel des 20. Jh. ihre Blütezeit erleben sollte: dem Einzug des figürlichen Schmucks im privaten Hausgarten.

Auftraggeber

Hahnloser/Jäggli Stiftung Winterthur

Projektdaten

2020: Entwicklungsgeschichte