Die Freiräume des ESSM Magglingen
1. Teil: Der romantische Parkwald des Kurhauses Magglingen

Anlass unseres Gutachtens war die Aufarbeitung der Entwicklungsgeschichte der Freiräume und Anlagen der ehemaligen Eidgenössischen Turn- und Sportschule Magglingen ETS (heute: ESSM). Den Bundesbehörden fehlten bis anhin gesicherte Grundlagen zur Vor- und Entstehungsgeschichte wie Konzeption der Frei- und Gartenräume des sportwissenschaftlichen Kompetenzzentrums. 

Die heutigen Freiräume gehen zurück auf die ausgedehnten Parkanlagen des damaligen Kurhauses Magglingen. Gegründet 1877 stand das Kurhaus stilistisch am Übergang vom Aussichtshotel zum Grand-Hôtel der Belle Époque und zählte damals zu den frühesten Einrichtungen des Schweizerischen Hotelwesens, die über eine eigene Gartenanlage verfügte. Die Freiräume der Fremdenanstalt teilten sich in Hotelterrasse und Landschaftsgarten einerseits und in die, für die Molkenkur notwendigen und weitläufigen Promenaden andererseits. Terrasse und Garten durften dabei alleine von den Hotelgästen genutzt und betreten werden, die Waldspaziergänge standen der ansässigen Bevölkerung und Tagesgästen kostenfrei zur Verfügung.

Der Wald wurde den Initianten des Kurhauses bereits 1865 von der Burgergemeinde Biel schenkungsweise überlassen. Der damalige Hotelier Waelly legte darin bis 1880 ein Netz von Spazierwegen an, welches die nähere und fernere Landschaft an das Hotel anband und es zum Ausgangspunkt kurzer wie ausgedehnter Promenaden werden liess. 

Die Stationen in Hotelnähe und im Wald tragen verschiedenste Namen. Sie dienen der Orientierung, sind belehrend in der Beschreibung der Aussichtslagen («Canalsicht») oder von Verhaltensempfehlungen («Kurze Rast»). Weitere Ortsnamen sind sentimentaler Natur («Wiedersehen», «Solitüde», «Mutterseelenallein»). Andere Orte lassen sich mitunter kaum noch nachvollziehen («Edgars Freude») und dürften erwartungsgemäss am ehesten in Bezug zu Geschehnissen im Hotel stehen. Allen Namen gemeinsam ist, dass sie sich an Gelehrte, Mineralogen und Naturforscher, an Schwärmer und Liebende, an Patrioten oder an historisch oder literarisch Gebildete richten. Die im Waldpark verwendeten Sinnbilder, Gedenksteine und Kleinarchitekturen besassen eine Botschaft, die dem gebildeten Spaziergänger geläufig waren oder die ihm vorgängig erklärt wurden. Seine Attraktionen und Stationen waren gesellschaftlicher Treffpunkt, gesuchte Orte schwärmerischer Einsamkeit oder Rendezvous für ein tête-à-tête des philosophischen wie intimen Zwiegesprächs. Es waren Bildnisse der Treue und Freundschaft wie der Kuppelei und Verführung, Embleme wie sie der romantischen Gartenkunst der Schweiz des ausgehenden 18. Jahrhunderts geläufig waren.

Waellys Promenaden waren romantisch im besten Sinne des Wortes. Sie waren sinnlich, seine zahlreichen Stationen und Aussichten dem ästhetischen oder weltlichen Vergnügen gewidmet und sollten die Neugier immerfort herausfordern.

(Fortsetzung folgt)

 

Auftraggeber / Bauherr

Bundesamt für Bauten und Logistik BBL  3006 Bern 

Projektdaten

2020: Entwicklungsgeschichte und gartenkulturelle Einordnung